Nach Angaben des Live-Dashbords hinkt Niederösterreich bei den Corona-Impfungen noch hinterher. Der Impfstoff sei eben noch knapp, sagt Notruf-NÖ-Chef Christof Chwojka, der für die Koordination verantwortlich ist. Gleichzeitig betont die Ärztekammer, dass alle Hausärzte bestens gerüstet seien, um die Impfungen in ihren Praxen durchzuführen. Andere EU-Länder seien erfolgreicher, was das Heranschaffen von Impfdosen betrifft. Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Dietmar Baumgartner, appelliert, dass gerade die Mediziner so rasch wie möglich geimpft werden sollen, um einen niederschwelligen Zugang zur Impfung sicherzustellen. Die NÖN befragte den Allgemeinmediziner und Internisten Bernhard Grusch, der als Gemeindearzt in Hadres und Seefeld-Kadolz ordiniert, zur Situation.
Da Grusch auch einmal pro Woche als Internist im Landesklinikum Horn tätig ist, hat er bereits die erste Injektion mit dem Impfstoff von Pfizer-BioNTech erhalten. Sein Ordinationspersonal soll demnächst in einer der geplanten Impfstraßen im Bezirk geimpft werden.
Allerdings seien nur zwei Impfstraßen für den ganzen Bezirk vorgesehen. Zu wenig, meint etwa Bürgermeister Josef Fürnkranz. Er strebt eine Impfstraße in der Grenzlandhalle an.
NÖN: Herr Doktor Grusch, sind Sie für die Impfungen vorbereitet?
Bernhard Grusch : Ja, wir haben das alles schon länger in die Wege geleitet. Auch der elektronische Impfpass funktioniert mit unserem Computersystem. Die Handhabe des empfindlichen mRNA-Impfstoffes stellt für uns kein Problem dar. Wir Ärzte wissen, wie damit umzugehen ist. Daher habe ich mich Ende Dezember als Impfarzt online registriert. Seither warte ich auf Information, wann wir in meiner Ordination mit dem Impfen starten können.
Wie empfindlich ist der mRNA-Impfstoff?
Grusch: Man darf ihn nicht schütteln und wenn man ihn aufgetaut hat, muss man ihn innerhalb einer kurzen Zeitspanne verimpfen. Neue Stabilitätsdaten zeigen, dass der Impfstoff auch im verdünnten Zustand transportfähig ist. Natürlich muss das mit entsprechender Sorgfalt passieren. Aber damit könnte ich nicht transportfähige Patienten zu Hause impfen.
Große Hoffnung wird auf den wesentlich günstigeren Impfstoff von Astra Zeneca gesetzt, der einfacher in der Anwendung ist. Dieser soll aber nicht ganz so wirksam wie die mRNA-Impfstoffe von Moderna oder Pfizer sein. Warum kommt er dann überhaupt zum Einsatz?
Grusch: Das muss man differenzierter betrachten. Es stimmt, der Impfstoff von Astra Zeneca ist um ein Vielfaches günstiger und einfacher zu transportieren und zu lagern. Das ist ein großer Vorteil für die breite Anwendung. Die Zulassung wird diese Woche erwartet und da wissen wir, für welche Patientengruppe der Impfstoff infrage kommt.
Ein Kritikpunkt der Impfgegner lautet: Wie kann es sein, dass ein Impfstoff verwendet werden darf, an dem nur zehn Monate geforscht worden ist …?
Grusch: Logischerweise fehlen die Langzeitstudien. Aber ich gebe auch zu bedenken, dass viele Menschen nach einer überstandenen Corona-Erkrankung massiv an gesundheitlichen Langzeitschäden leiden. Außerdem ist die sogenannte mRNA-Technologie, die bei diesen beiden zugelassenen Impfstoffen von Pfizer/BioNTech und Moderna eingesetzt wird, nicht erst zehn Monate alt, sondern es wird seit rund 30 Jahren intensiv daran geforscht. Man erhofft sich von dieser Technologie im Bereich der Krebsbehandlung sehr viel. Als das Virus sich in wenigen Wochen rasant auf der ganzen Welt verbreitet hat, ist der Großteil der Forschungsgelder nur noch für diesen Impfstoff ausgegeben worden. Daraus lässt sich schließen, dass man rascher zu einem positiven Ergebnis kommt. Übrigens: Wenn man nur einen Bruchteil der Ausgaben für Waffen- und Kriegsmaterial in die Forschung investieren würde, dann hätten wir für viele Krankheiten bereits eine Lösung.
Was sind die häufigsten Fragen Ihrer Patienten zur Impfung?
Grusch : „Soll ich mich impfen lassen?“ Und wenn das geklärt ist, taucht gleich die Frage auf: „Wo kann ich mich impfen lassen?“ Wenn Patienten Information suchen, vertrauen sie wahrscheinlich ihrem Hausarzt mehr als einer digitalen Plattform im Internet. Man darf nicht vergessen: Vor allem die älteren Menschen, die geimpft werden wollen, haben meistens kein Internet, keine E-Mail-Adresse oder nicht einmal ein Mobiltelefon, womit sie eine SMS-Nachricht erhalten könnten. Wenn keine Angehörige in der Nähe sind, dann sind es meistens wir Hausärzte, die diese Gruppe betreuen. Daher nehmen wir eine wichtige Schlüsselrolle ein, wenn es ums Impfen geht.