Zeitzeugen erzählen der NÖN, wie sie den Einmarsch der Roten Armee in Hadres erlebten.
Vor nunmehr 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg und es gibt noch viele Menschen, die diese Zeit miterlebt haben. Für geschichtliche Aufzeichnungen spielen ihre spannenden, oft berührenden Erzählungen eine wichtige Rolle. Andere Menschen schreiben ihre Lebensgeschichte für ihre Nachkommen auf. So auch der Hadreser Alt-Bürgermeister Josef Fürnkranz, der bei Kriegsende 15 Jahre alt war.
Sein Großvater hätte ihm erzählt, dass die Russen die Frauen vergewaltigen würden, alle Pferde und alle Fahrräder mitnehmen, den Leuten die Uhren abnehmen und vieles mehr. Am Abend sei es besonders gefährlich gewesen, also versammelten sie sich in Gruppen bis an die 100 Personen, um gemeinsam in einem Haus zu schlafen, wie zum Beispiel beim damaligen Gemeindearzt Ludwig. Sie schliefen auf dem Boden im Wartezimmer, in der Ordination oder in den Privatzimmern. Nach einer Woche habe sich die Lage beruhigt und sie nächtigten wieder zu Hause.
„Das Vieh kam in den Pfarrstadl und wurde von den Russen als Verpflegung für das Heer geschlachtet. Im Hof beim Pfarrheim stand die Feldküche“, schrieb Fürnkranz 2004 in seinen unveröffentlichten Erinnerungen.
Leopoldine Schraml erzählt von einem Amerikaner, der schon im März 1945 mit seinem Flieger auf einem Acker in Hadres abstürzte und sich mit dem Schleudersitz rettete. Der Mann wurde dann im Gemeindeamt von ihrer Lehrerin, die Englisch sprach, vernommen. Was mit ihm daraufhin geschah, weiß sie nicht mehr.
Kurz bevor die Russen kamen, flohen die deutschen Soldaten. Einige Frauen mit ihren Kindern folgten ihnen, darunter Leopoldine Schramls Tante mit ihrer Tochter, berichtet die Hadreserin im Interview, deren Vater 1944 auf der Krim als vermisst gemeldet wurde. Beim Einmarsch der Russen standen die Dorfbewohner am Straßenrand und rund um den Hauptplatz. Da sei plötzlich ein junger russischer Soldat von einem Wagen gesprungen, habe die damals 14-jährige Leopoldine am Arm gepackt und gesagt: „Du kommst mit nach Prag!“ Doch eine couragierte Nachbarin kam ihr zur Hilfe. Die Frau beschimpfte den Soldaten und sagte, das Mädel gehe ja noch zur Schule – „sie bleibt hier!“
Zwei Nächte versteckten ihre Mutter und sie sich in den Weingärten. Versorgt wurden sie von der Großmutter, die meinte, die Russen würden ihr aufgrund ihres Alters schon nichts antun.
In der Zwischenzeit wurde das Elternhaus wie viele andere Häuser im Dorf von den Russen ausgeräumt. Erinnerungsfotos lagen verdreckt im Hof verstreut. Die Schule konnte die junge Leopoldine dann doch nicht mehr abschließen. Besonders schade findet sie, dass die schöne alte gewölbte Steinbrücke am Hauptplatz noch von den Deutschen in die Luft gesprengt wurde.